Kind und Hund – eine glückliche Verbindung?

rz_indianerkind_welpenHaustiere bilden in einer technisierten und verstädterten Welt für den Menschen eine der letzten Brücken zur Natur, helfen Naturverständnis aufzubauen und zu vertiefen. Der Umgang mit Tieren muß heute selbst von vielen Erwachsenen erst (wieder) erlernt werden. Kindliche Erfahrungen aus einem alltäglichen, zwangsläufigen Umgang mit Haustieren fehlen, und Furcht vor Tieren, gleich ob es sich um eine Katze, einen Hund, Pferd oder Kuh handelt, sind häufig selbst bei älteren Kindern und auch Erwachsenen zu beobachten. Dabei nimmt der Hund eine besondere Stellung ein. Hunde empfinden den Menschen als Sozialpartner. Gerade beim Kontakt zwischen Hunden und Kindern hat dies besondere Auswirkungen.

Was ist das Besondere am Verhältnis zwischen Kind und Hund?
Kinder empfinden den Hund als menschenähnlich. Für sie ist er ein Freund und Spielgefährte mit charakteristischen Fähigkeiten, die vom Kind anerkannt werden und denen es seine eigenen Fähigkeiten gegenüberstellen kann. Der Vierbeiner entspricht emotionalen Bedürfnissen des Kindes – vor allem nach Körperkontakt- ohne Vorleistungen (es gibt kein: „Wenn Du Dich jetzt so verhältst, dann spiele ich auch mit Dir!“), da er dieselben Bedürfnisse hat. Der Hund ist in der Familie immer verfügbar, hat immer Zeit. Die von Kindern bevorzugten Umgangsformen (wie Schmusen, Streicheln, Spielen) werden vom Hund positiv erwidert, weil sie in ähnlicher Form auch zu seinem angeborenen Verhalten gehören.

hr_bild_36Brauchen Kinder Hunde als Sozialpartner?
Der Hund steht in der vertrauten Umgebung der Wohnung als Spielpartner zur Verfügung und kann das Bedürfnis des Kindes nach emotionaler Nähe befriedigen. Da er sich nicht wie ein Erwachsener verhält, empfindet das Kind zu ihm auch keine Distanz. Der Hund kann die Entstehung der frühen Identität – also der Selbsterkenntnis des Kindes als Individuum – durch seine Andersartigkeit unterstützen. Das Kind erlebt sein Ich im Vergleich zur Andersartigkeit des Hundes, ohne auf Distanz zu ihm gehen zu müssen. Die Eltern werden aufgrund ihrer scheinbaren Unerreichbarkeit in einen solchen Vergleich nicht einbezogen. Durch das Spielen mit dem Hund übernimmt das Kind neue Perspektiven oder Rollen – eine Chance für das Kind, mit Hilfe des Hundes seine Ichbezogenheit zu verlassen. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zur Kommunikationsfähigkeit.

Welchen Charakter hat die Kind-Hund-Beziehung in der Familie?
Der Hund ist für das Kind ein interessanter Kommunikationspartner, die Beziehung zeichnet sich durch eine große Nähe und Intimität aus. Daraus erwächst ein Gefühl des Respekts vor dem Hund – nicht aber aus Furcht, es sei denn, das Kind hätte eine Kommunikationsform gewählt, auf die der Hund in schmerzhafter Weise reagiert hätte. Doch selbst dann ist diese Furcht nichts Nachteiliges, weil dem Kind die Ursachen dafür bekannt sind, es also die Furcht verarbeiten und damit eine neue Lebenserfahrung gewinnen kann. Beziehungen zwischen Kind und Hund sind abhängig vom Alter. Streicheln und Spielen in der Wohnung sind die Hauptformen des Kontakts zwischen Kleinkindern und ihrem Hund. Bereits im Krabbelalter, also mit etwa 9 Monaten, ist diese Kontaktaufnahme möglich und beschränkt sich auch lange Zeit nur darauf.

hr_uk_dscf1423aMit dem Spracherwerb, beginnend etwa zwischen 1,5 und 2 Jahren, verändert sich diese Beziehung. Der Hund kann vom Kind gerufen werden, er wird zum Kommunikationspartner. Er verhilft dem Kind zu positiven Erlebnissen, wenn er auf das Rufen folgt, er kann aber auch schon – wenn er nicht folgt – Unmutshandlungen beim Kind hervorrufen. Der Hund kann nun zum Vertrauten werden, dem man alles sagen kann, wenn einem die Erwachsenenwelt dafür zu weit entfernt oder ungeeignet erscheint. Gerade Einzelkinder erleben den Hund als Geschwisterersatz, als „Gleichaltrigen“ in einer von den Erwachsenen bestimmten Welt.

Mit dem Schuleintritt erfahren die Beziehungen eine erneute Veränderung. Die Welt des Kindes öffnet sich nach außen, der Hund bleibt in der familiären Welt zurück – er wird zum Freund, der immer da ist, wenn man ihn braucht. Das Kind erlebt sich selbst in wechselnden Stimmungen (Freude, Trauer etc.) und erkennt diese auch bei seinem Hund. Die geistige Entwicklung des Kindes, zunehmendes Sachinteresse und die bereits gewonnenen Erfahrungen im Umgang mit dem Hund verfestigen die Beziehung und lassen daraus eine dauerhafte Partnerschaft entstehen.

Gibt es spezifische Probleme in der Familie mit dem Hund?
Hunde betrachten Kinder zunächst einmal als Wurfgeschwister. Die Folgsamkeit des Vierbeiners ist den Kindern gegenüber eher gering. Da die Kinder ihrerseits in ihren Aktivitäten mit dem Hund die spielerischen und unverbindlichen Aspekte betonen, kann hieraus auch kein hierarchisches Verhältnis entstehen. Abwehrreaktionen des Hundes können nicht als Rangordnungskämpfe eingestuft werden, da sie sich meist auf einen konkreten, vom Kind herbeigeführten Sachverhalt beziehen. Eher noch handelt es sich um Kommunikationsformen des Hundes in für ihn unangenehmen Situationen. Für den Hund stellt sich die Situation nicht viel anders dar als im Rudel seiner Geschwister. Hunde tolerieren „ihre“ Kinder, vor allem wenn sie noch kleiner sind, aber sie sehen in ihnen nicht unbedingt den Ranghöheren.

hr_uk_dscf1613Kinder suchen ihre Grenzen, und sie wissen genau, was ihr Hund nicht leiden kann. Die hohe Zahl der Hunde, die das Kind schon einmal angeknurrt oder nach ihm geschnappt haben, legt die Vermutung nahe, daß diese Grenzabsteckung auch am und mit dem Hund erfolgt. Kinder sehen in ihrem Hund also auch einen Freund und Spielgefährten, an dem sie ihre Kräfte messen können.

Konsequenz ist ein wesentlicher Bestandteil der Hundeerziehung. Wichtig ist, daß zunächst der Halter bei den von ihm aufgestellten Regeln konse- quent ist. Dies ist keine einmalige Angelegenheit, sondern ein andauernder Prozeß, dessen Geradlinigkeit dem Hund die Orientierung gibt, die dieser als Rudeltier braucht. Der Familienhund hat mehrere „Herren“.

Dies muß nicht zwangsläufig zur Irritation des Hundes führen, denn das Tier lernt sehr schnell, was es bei wem zu tun oder zu lassen hat. Es ist jedoch schwierig, bestimmte Grundregeln durchzusetzen, wenn diese von den Kindern unterlaufen werden. Ein Drittel der Eltern hat dabei Probleme – und es sind weniger Probleme zwischen Mensch und Tier als zwischen Eltern und Kind. Zum einen müssen die Eltern beim Kind die Einsicht in die Notwendigkeit ihres Verhaltens wecken, zum anderen müssen sie dem Kind deutlich machen, wo bezüglich des Hundes die Grenzen liegen. Hierbei ist gar nicht so entscheidend, daß der Hund den Kindern gehorcht, sondern daß die Kinder- ihrem Alter entsprechend – die von den Eltern praktizierte Form des Umgangs mit dem Hund mittragen. Daß Eltern dabei auch Fehler machen, liegt auf der Hand, daß die Kinder dann die Fehler der Eltern übernehmen, ist nur allzuverständlich. Will man hier etwas verändern, kann dies nur über die Eltern erfolgen.

hr_bild_26Welche Bedeutung haben die Eltern beim Umgang mit dem Hund?
Den Umgang mit dem Hund lernt das Kind von den Eltern. Wird der Hund artgerecht gehalten – wird er regelmäßig gefüttert und ausgeführt, hat er einen Schlafplatz, wird mit ihm gespielt, kann er ungestört fressen – so lernt das Kind den richtigen Umgang mit dem Tier selbst dann, wenn es diese Tätigkeiten (noch) nicht in vollem Umfang selbst durchführen kann oder möchte. Der Hund wiederum wird das Kind respektieren. Was das Kind lernt, hängt also entscheidend vom elterlichen Vorbild ab. Dem Hund wird zwar fast die gesamte Behausung der Familie als Aufenthaltsort eingeräumt, trotz dem wird er einem herumkommandierenden und drangsalierenden Kind nicht immer entkommen können.

Dann wird er auf seine Art seinen Standpunkt deutlich machen: er wird warnend knurren und er wird, falls dies nicht fruchtet, auch einmal schnappen. Hier ist die Besonnenheit der Eltern gefragt. Hervorzuheben ist dabei die Häufigkeit, mit der die Eltern versuchen, dem Kind die Situation und damit auch das Verhalten des Hundes zu erklären. Dies scheint auch die wirksamste Maßnahme zu sein, um Wiederholungen zu vermeiden. Die Gefahr liegt nämlich in der Eskalation der Vorfälle, wenn mit zunehmender Körperkraft des Kindes auch die Reaktion des Hundes heftiger ausfällt. Auch hier wird noch einmal deutlich, wie wichtig die Eltern für eine im weitesten Sinne des Wortes gesunde Beziehung zwischen Kind und Hund sind.

Zusammenfassung
„Der Hund als Sozialpartner in der Familie stellt eine ganz wesentliche Bereicherung des elterlichen und kindlichen Alltags dar. Seine emotionale Bedeutung für die ganze Familie muß deutlich hervorgehoben werden“, betont der Pädagoge und Tierarzt Dr. Norbert Rehm von der Universität München. Als Rudeltier findet der Hund in der Familie überaus günstige Aufnahmebedingungen – hier kann er Beziehungen zu einer Kleingruppe von Ranghöheren und Ranggleichen aufbauen. Regelmäßige Versorgung durch die Eltern und häufige emotionale Zuwendung, vorwiegend durch die Kinder, erfüllen seine artgemäßen Bedürfnisse. Das Gefühl, alleingelassen zu werden, ist dem Familienhund praktisch unbekannt.

Der Familienhund fungiert als Spielkamerad und Tröster, und er erfüllt die Funktion eines Miterziehers. Besonders Einzelkinder lernen durch die Beschäftigung mit dem Hund verschiedene Möglichkeiten der Konflikt- lösung kennen und erwerben wichtige soziale Verhaltensweisen und Eigenschaften wie Zuneigung, Fürsorglichkeit, Mitleid, Rücksicht, Respekt, Kommunikation, Verantwortungsgefühl und Phantasie.

Wichtig ist jedoch, dem Hund ein Höchstmaß an artgemäßer und verhaltensgerechter Haltung zu bieten. Dies dient nicht nur dem Hund, sondern auch „seinen“ Menschen, insbesondere den Kindern. Ein als Tier respektierter und artgerecht in einer von Menschen geschaffenen Umwelt gehaltener Hund wird dem Kind sehr viel auf dem Weg zum Erwachsenwerden mitgeben können.

(aus »Unser Rassehund«)